Ressort Wissen

Wissenstransfer zwischen Mitteleuropa und Palästina:

Shmuel Hugo Bergmann (1883–1975)

Das Projekt widmet sich dem vielfältigen Leben und Wirken des Philosophen und Bibliothekars Shmuel Hugo Bergman (1883–1975). Von seinem Geburtsort Prag, wo er in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die jüdische Renaissance der deutschsprachigen Gemeinschaft förderte, ging Bergman nach Palästina und übernahm dort einflussreiche Positionen. Als erster Direktor der jüdischen Nationalbibliothek und erster Rektor der Hebräischen Universität Jerusalem hatte er entscheidenden Anteil an der Entwicklung zweier für die vorstaatliche und später israelische Gesellschaft bedeutender Institutionen.  Parallel dazu wurde Bergman zu einem wichtigen Bezugspunkt für den linken Diskurs in Israel. Als Befürworter des Binationalismus sprach er sich für einen arabisch-israelischen Dialog aus. Zudem engagierte er sich in verschiedenen politischen und arbeitsrechtlichen Organisationen.
Ziel des Forschungsprojekts ist die Erarbeitung einer intellektuellen Biografie, die die vielfältigen Aspekte von Bergmans wissenschaftlicher und kultureller Aktivität sowie seinen philosophischen und politischen Denkweg umfasst. Bergmans differenziertes Verständnis jüdischer Kultur und nationaljüdischen Denkens war sowohl in Mitteleuropa vor dem Zweiten Weltkrieg, als auch im Palästina der 1920er und 1930er Jahre sowie in der Frühphase des Staates Israel von zentraler Bedeutung. So kann sein Leben und Wirken erstens unter dem Aspekt des intellektuellen und kulturellen Transfers aus dem deutsch- und tschechischsprachigen Prager Judentum nach Palästina/Israel betrachtet werden, zweitens hinsichtlich der Geschichte des Kulturzionismus in Europa und Palästina, drittens bezüglich der Wirkung mitteleuropäischer Gelehrter an der Hebräischen Universität sowie viertens mit Blick auf die Entwicklung der politischen Kultur und des philosophischen Diskurses in Israel in den ersten Jahrzehnten nach der Staatsgründung. Das Gleiche gilt für die Entfaltung der Philosophie Bergmans, die seit seinen Prager Anfängen unter dem Eindruck zeitgeschichtlicher Erfahrungen sowie einer Vielzahl von Einflüssen des zeitgenössischen jüdischen wie nichtjüdischen Denkens mehrfache Wendungen vollzog.