Ressort Recht

Subjekte des Mandatsgebiets

Selbstverwaltung und Empire in Palästina, 1917–1948

In der jüdischen Geschichte waren Konzepte der Selbstverwaltung und Autonomie stets von großer Relevanz, in der Moderne nahmen sie noch einmal besondere Form an. Gerade im britisch beherrschten Palästina erhielten entsprechende Fragen eine neue Dimension. Dies lag nicht nur an der Verpflichtung Großbritanniens, die Entwicklung der jüdischen Heimstätte zu fördern, sondern auch daran, dass das Mandat des Völkerbunds ausdrücklich die Einrichtung von Institutionen der Selbstverwaltung vorschrieb. Diskussionen über Prinzipien der Selbstverwaltung waren somit nicht nur von den spezifischen lokalen Gegebenheiten geprägt. Sie waren vielmehr in den größeren Rahmen des britischen Imperiums eingebettet: Nach dem Ersten Weltkrieg richtete Großbritannien in vielen Kolonien Körperschaften mit begrenzten Befugnissen ein, meist um die internationale Kritik zu beschwichtigen und den lokalen Widerstand zu verringern. Indien, der Irak, die Britisch-Westindischen Inseln und Irland dienten vor diesem Hintergrund als Wissensquellen für künftige Verfassungsentwicklungen in Palästina.
Im Mittelpunkt des Dissertationsprojekts steht der Transfer von Elementen des Verfassungsrechts und der Verwaltungspraxis aus dem Britischen Reich nach Palästina, wobei insbesondere die imperialen Ursprünge der Diskussionen über die Selbstverwaltung in der Region erforscht werden. Der Wissenstransfer wird sowohl auf der lokalen Ebene der in Palästina tätigen Regierungsbeamten als auch auf der imperialen Ebene des Colonial Office in London untersucht. Darüber hinaus wird hinterfragt, wie die Erfahrungen und Konzepte jüdischer Selbstverwaltung aus dem Habsburger, Russischen und Osmanischen Reich die zionistischen Reaktionen auf diese britischen Initiativen prägten. Gleichzeitig werden auch die Belange der palästinensischen Araber einbezogen. Die Auseinandersetzung über Formen der Selbstverwaltung in Palästina wird somit als Schauplatz analysiert, in dem Wissen und Erfahrungswelten unterschiedlicher Imperien aufeinandertrafen. An der Schnittstelle von jüdischer, imperialer und rechtlicher Geschichte gelegen, bietet dieses Projekt eine neue Perspektive auf die Stellung Palästinas im britischen Empire und ermöglicht einen anderen Einblick in die politischen Visionen, die sowohl britische als auch jüdische Akteure für das Land entwickelten.