Ressort Politik

Ignaz Goldzihers Rezeption bei arabischen Gelehrten aus Syrien und Ägypten (1873–1948)

Im Fokus des Projekts steht der ungarisch-jüdische Orientalist Ignaz Goldziher (1850–1921), der einerseits in der europäischen Fachgeschichte als Begründer der modernen Islamwissenschaft gilt und andererseits im mehrheitlich islamisch geprägten Raum eine im Vergleich mit seinen europäischen Kollegen außergewöhnlich große Anerkennung erfuhr. Während sich die bisherige Forschung auf Goldzihers Person, Werk und Wirkung im europäischen Kontext konzentrierte, genoss seine Rezeption in der arabischen Region bislang kaum die ihr gebührende Betrachtung. Hier lässt sich zurecht von einer nahezu vergessenen Stimme des »Orients« sprechen. Daher widmet sich das vorliegende Projekt Fragen nach der Wahrnehmung Goldzihers durch seine arabischen Gesprächspartner: Wie reflektierten arabische Gelehrte und Staatsmänner über Goldziher als Person, Wissenschaftler, Europäer und Jude?

Das Projekt knüpft an die mit der Schrift »Orientalismus« des Literaturwissenschaftlers Edward Said (1935–2003) angestoßene Debatte über den Diskurs der Orientforschung und die Bewertung des auf diesem Gebiet produzierten Wissens an. Die einschneidende Wirkung dieser Kontroverse ging weit über die Grenzen des Faches hinaus und dauert bis heute an. Die Auswertung von Beiträgen europäischer und insbesondere deutschsprachiger jüdischer Orientalisten wurde zum Gegenstand einiger Studien und stellt eine bisher umstrittene Frage der Forschung dar. Dies gilt selbst für Ignaz Goldziher. Als Beitrag hierzu intendiert diese Studie die Erschließung der oben erwähnten vergessenen Stimme des »Orients«. Darüber hinaus vermag sie zur wissenschaftlichen Würdigung der transregionalen Wirkung Goldzihers beizutragen und ein neues Licht auf jüdisch-islamische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert zu werfen.

Im Rahmen des Projekts werden Goldzihers Nachlass, insbesondere seine Korrespondenzen mit Gelehrten aus Syrien und Ägypten, sowie die damit in Verbindung stehenden Schriften von ihm und seinen zeitgenössischen arabischen Kollegen analysiert. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf Tagebücher und Reiseberichte gelegt. Der Zeitrahmen der Untersuchung beginnt mit der Reise Goldzihers in den Orient und endet mit dem Gründungsdatum des Staats Israel. Geographisch wird die Studie auf Syrien und Ägypten begrenzt, da Goldziher dort die längsten Aufenthalte seiner Orientreise hatte und dort zahlreiche für den Gegenstand des Projekts relevante Kontakte mit wichtigen arabischen Persönlichkeiten pflegte.