Ressort Politik

Die ermordeten Dichter: eine Kollektivbiografie

Ziel des Forschungsprojekts »Die ermordeten Dichter« ist die Erarbeitung einer problemorientierten Biographie der fünf jiddischen Schriftsteller Dovid Bergelson, Dovid Hofshteyn, Leyb Kvitko, Perets Markish und Itsik Fefer, die am 12. August 1952 in der sogenannten »Nacht der ermordeten Dichter« hingerichtet wurden. Trotz enormer Unterschiede in Leben und Werk, fanden sie alle einen gemeinsamen Tod.

Die kollektive Biografie zeichnet nicht die fünf individuellen Schicksale der genannten Schriftsteller nach, sondern kehrt zu wichtigen Zeiten und Orten zurück, an denen sich deren Lebenswege überschnitten. Zu den Schauplätzen gehören Kiew, wo alle fünf Autoren während der Revolution und des Bürgerkriegs lebten und schrieben; Berlin, das in den frühen 1920er Jahren als literarische Hauptstadt der Emigrantenkultur gelten kann, wo auch vier der fünf Schriftsteller einige Jahre verbrachten; Moskau in den 1930er Jahren, als alle in die UdSSR zurückgekehrt waren und sich entweder bewusst oder unbewusst in das sowjetische Literatursystem einfügten. Letztlich beleuchtet die kollektive Biografie die Erfahrungen der fünf Schriftsteller bei ihrer Arbeit im Jüdischen Antifaschistischen Komitee während, im und nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Spannungen zwischen Nationalität und Universalität, zwischen Moderne und sozialistischem Realismus sowie zwischen dem Jiddischen und Sowjetischen am stärksten hervortraten und schließlich in ihrem Prozess gegen die fünf Angeklagten verwendet wurden.

Das Forschungsprojekt befasst sich mit den sich überschneidenden Selbstverständnissen aller fünf Schriftsteller als Sowjetbürger und Juden. Es untersucht, wie sie die komplexen historischen, politischen und soziokulturellen Zwänge des sowjetischen Regimes bewältigten, das die scheinbar widersprüchlichen Werte des kommunistischen Universalismus und des ethnischen Nationalismus förderte. Ausgehend von ihren Verhaftungen, Prozessen und der Hinrichtung, die sie zusammenführte, fragt das Projekt, wie diese fünf Schriftsteller zu den bedeutendsten der sowjetischen jiddischen Literatur wurden und was an ihrem Leben und Werk zerstört werden musste, um (zumindest symbolisch) das Ende des kurzen Lebens der sowjetischen jiddischen Literatur zu markieren.