Ressort Wissen

Von Frankfurt nach Babylon

Eine Erfahrungsgeschichte jüdischer Intellektueller in der Bundesrepublik

Das Dissertationsprojekt widmet sich einem Kreis junger Intellektueller aus Frankfurt, die im Frühjahr 1980 die sogenannte »Jüdische Gruppe« ins Leben riefen und sich ab Herbst 1986 für die Herausgabe der Zeitschrift »Babylon. Beiträge zur jüdischen Gegenwart« verantwortlich zeigten. Beide Gründungen – die der Gruppe und die der Zeitschrift – sind Manifestationen einer spezifischen jüdischen Erfahrung in der Bundesrepublik jener Zeit, um deren Deutung es in der vorliegenden Arbeit geht. Hierfür blickt die Untersuchung zurück bis in die 1950er-Jahre, eine Zeit, in der eine neue Generation das Schulalter erreichte und sich der innerjüdische Diskurs über Gestalt und Zukunft von Judentum und jüdischen Lebens im Land der Täter markant veränderte.

Im Zentrum der Arbeit steht die Darstellung und Analyse der einzelnen politischen sowie lebensweltlichen Entscheidungen der jungen Jüdinnen und Juden von Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre. Diese Zeit war für sie von dem Wunsch nach politischer Partizipation gekennzeichnet; ihre Bereitschaft, die aktuellen Zeitfragen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft mitzugestalten, stand jedoch dem Lebensentwurf der Elterngeneration diametral gegenüber. Doch nicht nur hier galt es, Konflikte auszutragen; auch die Teilhabe am bundesdeutschen Alltag verlief keineswegs ohne Widersprüche. An einer Reihe exemplarischer Themen – etwa der Deutung des Palästinakonflikts sowie der Erinnerung an die Schoah – zeichnet die Studie individuelle wie kollektive Such- und Erkenntnisprozesse der jungen Juden in Frankfurt nach. Dabei dienen die von Migration, Flucht, Verfolgung und Verlust gekennzeichneten Familiengeschichten sowie die damit verbundenen generationsspezifischen Geschichtserfahrungen in der Bundesrepublik als erkenntnistheoretischer Zugang, deren Aufarbeitung und Darstellung ein wesentliches Ziel des Projektes ist.