Ressort Politik

Die Welttournee des Jüdischen Antifaschistischen Komitees

Eine Fallstudie über den Gedanken der jüdischen Einigkeit

Im Zentrum des Forschungsprojektes steht eine einzigartige, sechs Monate dauernde Welttournee im zweiten Halbjahr 1943, während der die sowjetischen Juden Solomon Mikhoels und Itsik Fefer als Vertreter des Jüdischen Antifaschistischen Komitees in zahlreichen Städten Nordamerikas und Großbritanniens für eine internationale jüdische Einigkeit im Kampf gegen den Nationalsozialismus sowie eine militärische, materielle und finanzielle Unterstützung der Sowjetunion warben. Zehntausende Jüdinnen und Juden strömten zu den Kundebungen der sowjetischen Entsandten. Die Tournee war Höhepunkt eines von sowjetischen Jüdinnen und Juden seit Beginn des deutschen Angriffskriegs auf ihr Land ausgehenden Appells nach einer Verbrüderung der Judenheiten über nationale und politische Grenzen hinweg.

Anhand dieser Reise wird die im Antlitz des Holocaust und des deutschen Vernichtungskriegs seit der Oktoberrevolution erstmalig stattfindende Annäherung von den sowjetischen mit den amerikanischen und britischen Judenheiten besonders sichtbar, die sich in dieser Form nur aufgrund der exzeptionellen Bedrohungssituation der Zeit ereignen konnte und die die Kriegsjahre nicht überdauerte. Während dieser scheinbaren Gelegenheit einer Annäherung zwischen Ost und West debattierten Repräsentantinnen und Repräsentanten internationaler jüdischer Organisationen mit ihren Gästen über gemeinsame Konzepte zur Verbesserung der Lage der europäischen Judenheiten und der Wiederbelebung jüdischen Lebens nach Kriegsende.

Ausgehend von den multiplen Selbstverständnissen der beiden Reisenden, nähert sich die Studie dem Gedanken der jüdischen Einigkeit anhand politischer, kultureller und künstlerischer Aspekte. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Jiddischen, das während der Tournee als Kommunikationssprache diente und durch das eine auf gemeinsame Erfahrungen basierende transnationale jüdische Zugehörigkeit konstruiert wurde.

Das Forschungsprojekt ist Teil des durch das Förderprogramm »Leibniz-Kooperative Exzellenz« im Leibniz-Wettbewerb 2020 geförderte interdisziplinäre Verbundprojekt »Das kurze Leben der sowjetisch jiddischen Literatur«.