Ressort Politik

Juden in der faschistischen Partei Italiens

Eine Prosopografie

Ausgangspunkt des Dissertationsvorhabens ist der auffällig hohe Anteil von Juden im Partito Nazionale Fascista (PNF), der faschistischen Partei Italiens. Während die jüdische Bevölkerung Anfang des 20. Jahrhunderts nur 0,1 Prozent der italienischen Gesamtbevölkerung ausmachte, war der Anteil von Juden im PNF dreimal so hoch. Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Hintergründen dieser Anziehungskraft nachzugehen.

Entlang der Biografien von drei jüdischen Funktionären werden Gemeinsamkeiten der politischen Orientierungssuche nachgezeichnet und ins Verhältnis zu den Lebenswegen weiterer Parteimitglieder gesetzt. Die ausgewählten Personen Gino Arias (1879–1940), Guido Jung (1876–1949) und Elisa Majer-Rizzioli (1880–1930) repräsentieren dabei je unterschiedliche Herkünfte und Wege in die faschistische Partei.

Über die jüdischen PNF-Mitglieder hinaus wird außerdem die Generation ihrer Eltern in den Blick genommen, die die Gründung des vereinten italienischen Königreichs 1861 und die italienweite Emanzipation der Juden erlebt hatten. Der Arbeit liegt die Hypothese zugrunde, dass die Frage nach den jüdischen Angehörigen des PNF nur vor dem Hintergrund der spezifisch jüdischen Bindung an das Risorgimento, die italienische Nationalstaatsbildung, verstanden werden kann. Somit wird der engere Untersuchungszeitraum von 1921 bis 1938 um eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Analyse erweitert; der Ausgangsfrage wird sich mithilfe einer Longue-Durée-Perspektive angenähert. Dadurch können die Ambivalenzen und Tiefenschichten der jüdischen Akkulturationsgeschichte im modernen Italien aufgedeckt werden.