Ressort Recht

Stadt ohne Juden

Zum Umgang mit dem jüdischen Erbe Halberstadts seit 1945

Gemessen an der Bevölkerungszahl liegt die Häufung antisemitischer Straftaten in Ostdeutschland signifikant höher als im Westen. Während nicht zuletzt die oftmals zivilgesellschaftlich motivierte Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der alten Bundesrepublik auch für eine größere Aufmerksamkeit gegenüber dem Antisemitismus sorgte, blieb die Beschäftigung mit der jüdischen Vergangenheit in der DDR de facto aus. Diese spezifische Gemengelage will das Vorhaben anhand der Geschichte Halberstadts untersuchen, das bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eines der wichtigsten Zentren der Neo-Orthodoxie in Deutschland darstellte. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Geschichte der Halberstädter Juden ungewöhnlich eng mit der Stadtgesellschaft verbunden, was sich u.a. darin ausdrückte, dass sie als eine der wenigen Mittelstädte Deutschlands ein eigenes, in der Altstadt gelegenes jüdisches Viertel beherbergte. Nach der Deportation der jüdischen Einwohner 1942 und der weitgehenden Zerstörung der Stadt durch alliierte Bombenangriffe am 8. April 1945 fiel das bedeutende Kapitel der Stadtgeschichte der Vergessenheit anheim, um erst ab Ende der 1970er Jahre wieder erinnert zu werden. In jüngster Zeit sind indes Stimmen zu vernehmen, die die Teilhabe von Nachfahren jüdischer Familien aus Halberstadt an der städtischen Erinnerung als Versuch einer unlauteren Einflussnahme ablehnen – das Ressentiment hat die jahrzehntelange Abwesenheit jüdischer Präsenz offenbar unbeschadet überstanden. Mittels einer Betrachtung des Umgangs mit dem jüdischen Erbe Halberstadts seit 1945 sollen die Gründe dafür rekonstruiert werden.

Das Projekt ist Teil des vom BMBF geförderten Verbundvorhabens »Das Objekt zum Subjekt machen. Jüdische Alltagskultur in Deutschland vermitteln«.