»Gustav Mahlers Wirkungsgeschichte. Jüdische Topographien in der Musikkultur des Fin de Siècle«
Jahreskonferenz des Dubnow-Instituts
Gustav Mahlers Biografie reflektiert die jüdische Geschichte in Mittel- und Ostmitteleuropa im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sein Wirken an den Knotenpunkten des europäischen und amerikanischen Musik- und Theaterbetriebs war Katalysator für eine in seiner Zeit neuartige Vernetzung kultureller Räume und Verdichtung transnationalen Kulturaustauschs. Schließlich verweisen die zeitgenössische Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte der Mahlerschen Musik auf die politische Dimension kultureller und religiöser Zuschreibungen und die enge Verbindung zwischen gesellschaftlichem Umbruch und musikalisch-ästhetischer Kanonbildung.
Das Simon-Dubnow-Institut will den 100. Todestag Gustav Mahlers zum Anlass nehmen, Leben, Werk und Nachleben des Musikers jüdischer Herkunft im Kontext kultureller und gesellschaftspolitischer Konstellationen von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart zu beleuchten. Als inhaltliche Klammer der Konferenz figuriert das Verständnis einer Kultur von Verwandlung, Grenzüberschreitung und Vermittlung als Konstante jüdischer Existenz in der Moderne. Angesprochen sind damit Modi geografischer und kultureller Mobilität ebenso wie Verhandlungen von Zugehörigkeit und innerer Verwandlung. All dies spiegelt sich in der Biografie Gustav Mahlers wider: In seinem Lebensweg von der böhmischen Peripherie (Kalischt bei Brünn) über die kulturellen Metropolen Mitteleuropas (Prag, Leipzig, Budapest, Hamburg, Wien) in die »Neue Welt« (New York), in seinem Übertritt vom Judentum zum Katholizismus, und nicht zuletzt in seinem kompositorischen Werk.
Dieser Perspektivierung will die Konferenz mit einem topographisch orientierten Fokus Rechnung tragen, wobei ein zentrales Anliegen der Veranstaltung darin besteht, Perspektiven und Ansätze der Geschichts-, Kultur- und Musikwissenschaften zusammenzuführen. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Thema »Jüdische Topographien in der Musikkultur des Fin de Siècle« soll dabei über die historisierende und kontextualisierende Analyse von Erfahrungs-, Rezeptions- und Diskursräumen den Bedingungen und Prozessen der »Verortung« Mahlers und seines kompositorischen Schaffens im Grenzgebiet zwischen Tradition und Moderne und in den Zwischenräumen zwischen den Kulturen nachgegangen werden. Ein besonderes Augenmerk der Konferenz gilt somit Figurationen des Nebeneinanders und des Austauschs, der Inklusion und der Exklusion, der Aneignung und der Bewegung.
23. bis 24. Mai 2011
Dubnow-Institut und Gewandhaus zu Leipzig
Die Veranstaltung wird vom Simon-Dubnow-Institut und dem Gewandhaus zu Leipzig mit Unterstützung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius organisiert. Am ersten Tag werden die Vorträge in den Räumen des Dubnow-Instituts, am zweiten Tag im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses stattfinden. Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch.