Kolloquium

Leben im Land der Toten

Juden in Polen unmittelbar nach dem Holocaust

Julia Pirotte, Children in Ruins, Warsaw. Photograph from the collection of the Emanuel Ringelblum Jewish Historical Institute

Programm

Selbstbestimmung und Gewalt, Trauma und Neuanfang, Wiederaufbau und Emigration – jüdisches Leben in Polen unmittelbar nach dem Holocaust war voller Ambivalenzen und widersprüchlicher Erfahrungen. Orte, in denen es bis zum Krieg große jüdische Gemeinschaften gegeben hatte, waren nun geprägt von Zerstörung, Verlust und Leere. Die Ruinenlandschaft im Zentrum Warschaus auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos wurde hierfür zum Sinnbild.

Trotzdem entstand in Dzierżoniów und anderen ehemals deutschen Städten in Niederschlesien für wenige Jahre ein recht selbstbestimmtes jüdisches Leben. Überlebende und Rückkehrer aus der Sowjetunion siedelten sich hier an, ermuntert von der polnischen Regierung. Zeitgleich wurden im 300 km östlich gelegenen Kielce am 4. Juli 1946 vierzig polnische Juden ermordet und achtzig teils schwer verletzt. Aus Angst vor weiterer Gewalt flohen viele Jüdinnen und Juden aus Polen.

In der im Jüdischen Historischen Institut in Warschau überlieferten fotografischen Sammlung finden sich zahlreiche Bestände, die diese ambivalente Zeit spiegeln. Ab Mitte Dezember 2023 zeigt die Ausstellung »Der bestimmende Blick« im Leipziger Dubnow-Institut hieraus Fotografien und fragt nach deren Entstehung, Leerstellen, ihrer Wirkung sowie ihrer Überlieferung und danach, wie diese Bilder unsere Vorstellungen über jüdisches Leben im Nachkriegspolen bis heute prägen. Das Kolloquium gibt Einblick in den historischen Kontext.

Die Veranstaltung findet entweder in Präsenz im Großen Seminarraum des Dubnow-Instituts oder digital statt. Bitte beachten Sie die Angaben im Programm. Die Präsenzveranstaltungen werden zusätzlich gestreamt.

Programm

Donnerstag, 19. Oktober 2023, Dubnow-Institut/Stream
Kamil Kijek
Between a Teleology of Demise and Communist Optimism. Jewish Life in Lower Silesia, 1945–1950

Donnerstag, 16. November 2023,Dubnow-Institut/Stream
Stephan Stach
Ein jüdisches Gedächtnis. Die Rolle des Jüdischen Historischen Instituts beim Wiederaufbau jüdischen Lebens in Polen

Montag, 11. Dezember 2023, Dubnow-Institut/Stream
Agnieszka Kajczyk

The Visual Heritage of Polish Jews. The Complex History of the Collection of Postwar Photographs in the Jewish Historical Institute

Im Anschluss ab circa 19 Uhr: Eröffnung der Ausstellung »Der bestimmende Blick. Bilder jüdischen Lebens im Nachkriegspolen«

Donnerstag, 4. Januar 2024, digital
Der Vortrag beginnt erst um 18.15 Uhr.

Joanna Nalewajko-Kulikov
»There Is No Jewish Question, There Are Only Jewish Problems«. Jewish Communists in Postwar Poland

Donnerstag, 25. Januar 2024, digital
Joanna Tokarska-Bakir

What Did We not Know about the Kielce Pogrom until Now? Notes on the Research for the New Monograph Cursed. A Social Portrait of the Kielce Pogrom.

Donnerstag, 1. Februar 2024, digital
David Engel

The Flight of Poland’s Jewish Survivors, 1945–1947

Referentinnen und Referenten

Prof. Dr. David Engel, New York University, NY | Dr. Agnieszka Kajczyk, Emanuel Ringelblum Jewish Historical Institute, Warsaw | Dr. Kamil Kijek, University of Wrocław | Prof. Dr. Joanna Nalewajko-Kulikov, Tadeusz Manteuffel Institute of History of the Polish Academy of Sciences, Warsaw | Dr. Stephan Stach, Stiftung Friedliche Revolution, Leipzig | Prof. Dr. Joanna Tokarska-Bakir, Polish Academy of Sciences, Warsaw

Wintersemester 2023/2024, an sechs Terminen je 17.15 bis 18.45 Uhr
Dubnow-Institut, Leipzig sowie digital