Konferenz

Flaschenpost. Die Migration der Schriften

Jahreskonferenz des Dubnow-Instituts

Programm

Aufgrund der Corona-Pandemie findet die Jahreskonferenz des Dubnow-Instituts digital statt. Bitte melden Sie sich bis zum 1. Dezember 2020 an, um einen Link zum digitalen Vortragsraum zu erhalten.

Schicken Sie hierzu bitte eine E-Mail an jahreskonferenz2020(at)dubnow.de mit der Angabe des Veranstaltungstitels »Flaschenpost«, Ihres Namens, ggf. mit Institution und der E-Mailadresse, an die wir den Link zum Veranstaltungsraum schicken sollen.

Als 1944 die Dialektik der Aufklärung fertiggestellt wurde, hatte sich im emigrierten Institut für Sozialforschung dafür längst die Metapher der Flaschenpost durchgesetzt. Denn das Buch, in dem Max Horkheimer und Theodor W. Adorno die historischen, politischen und sozialen Kräfte auf den Begriff zu bringen versuchten, die sie ins Exil gezwungen hatten, besaß kein Zielpublikum: Die Schrift war auf Deutsch in Amerika verfasst worden, reflektierte die amerikanische Erfahrung, ohne amerikanisch zu sein, und bediente sich der europäischen philosophischen Traditionen, ohne darin aufzugehen. Die Rezeption setzte zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort ein. Diese räumliche und zeitliche Verschiebung brachte die in das Buch eingeschriebenen Kontexte zum Verschwinden.


Auch bei anderen Exilschriften aus dem Umfeld der Arbeiterbewegung, der politischen Linken und ihren Intellektuellenkulturen traten Erfahrungs-, Entstehungs- und Rezeptionszusammenhang deutlich auseinander. Sie standen teils quer zu Strömungen ihrer Zeit, hatten aufgrund ihrer Entstehung im Exil andere historische Erfahrungen in sich aufgenommen oder, wie die auf Jiddisch verfassten Schriften, ihre Leserschaft verloren. Zugleich verdrängten aktuellere Schriften die Flaschenpostsendungen aus der Zeit des Exils, oder es wurden Texte rezipiert, die vor langer Zeit entstanden waren. Mit ihrer Hilfe wurde über den Zivilisationsbruch hinweggegangen.


Anhand exemplarischer Exilschriften insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum geht die Jahreskonferenz der Migration von Texten, Theorien und Ideen nach, mit denen auf den Nationalsozialismus, den Holocaust, ihre Vorgeschichte und ihre Auswirkungen reflektiert wurde. Es wird nach den in ihnen niedergelegten historischen Erfahrungen, dem Einfluss des Exils auf die Theoriebildung, Missverständnissen der Rezeption, Chiffrierungen und Kodierungen gefragt. Auseinanderdriftende Erfahrungs-, Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen der Texte werden enggeführt. Ergänzend werden Texte herangezogen, die für konkurrierende Ereignisse und Erinnerungen stehen. Auf diese Weise soll die historische Geltungskraft arbeiter- und gewerkschaftsbewegter Begriffe ebenso herausgearbeitet werden wie die Bedingungen von Erkenntnis über den Nationalsozialismus und den Holocaust.

Zarin Aschrafi, Dubnow-Institut, Leipzig | Lukas Böckmann, Dubnow-Institut, Leipzig | Prof. Dr. Stephan Braese, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen | Dr. Boaz Cohen, Western Galilee Academic College, Akko | Dr. Lutz Fiedler, Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg/Humboldt-Universität zu Berlin | Dr. Elisabeth Gallas, Dubnow-Institut, Leipzig | PD Dr. Jan Gerber, Dubnow-Institut, Leipzig | Dr. Philipp Graf, Dubnow-Institut, Leipzig |Dr. Udi Greenberg, Dartmouth College, Hanover, N.H. | Prof. Dr. Daniel Gutwein, University of Haifa | Prof. Dr. Jack Jacobs, John Jay College und Graduate Center, City University of New York, N.Y. | Anja Jahn, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europas, Leipzig | Martin Jost, Dubnow-Institut, Leipzig | Dr. Magnus Klaue, Dubnow-Institut, Leipzig | Anne Klotz, Dubnow-Institut, Leipzig | Prof. Dr. Mona Körte, Universität Bielefeld | Doris Maja Krüger, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) | Dr. Michaela Kuhnhenne, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf | Prof. Dr. Claus Leggewie, Justus-Liebig-Universität Gießen | Dr. Enrico Lucca, Dubnow-Institut, Leipzig | To m N avo n, Dubnow-Institut, Leipzig | Felix Pankonin, Dubnow-Institut, Leipzig | Carolin Piorun, Dubnow-Institut, Leipzig | Prof. Dr. Mike Schmeitzner, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung/TU Dresden | Dr. des. Imanuel Clemens Schmidt, Dubnow-Institut, Leipzig | Prof. Dr. Michael Schneider, Kalenborn | Prof. Dr. Alfons Söllner, Berlin/Technische Universität Chemnitz | Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Berlin | PD Dr. Heidemarie Uhl, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien | Prof. Dr. Yfaat Weiss, Dubnow-Institut, Leipzig/Hebräische Universität Jerusalem | Dr. Robert Zwarg, Internationale Psychoanalytische Universität Berlin

3. bis 4. Dezember 2020
Digitale Veranstaltung

Die Konferenz wird gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung.