Kolloquium

Wintersemester 2024/2025

Antisemitismus der Gebildeten

Dozenten: Dr. Nicolas Berg/Dr. Sebastian Willert

Zeit: donnerstags, 17.15–18.45 Uhr, i.d.R. jede zweite Woche

Start: 17. Oktober 2024

Ort: Dubnow-Institut, Großer Seminarraum

Seminarsprache: Deutsch

Universitäten und Wissenschaften galten im frühen 19. Jahrhundert als ein Symbol jüdischer Emanzipationshoffnungen, selbst zu Zeiten, als persönlicher Erfolg und Aufstieg im akademischen Milieu für jüdische Gelehrte keineswegs die Regel waren. Im Deutschen Reich kamen zu den »leisen« Hürden der Diskriminierung in Berufungen »laute« Ausgrenzungen und aggressive Anfeindungen hinzu, sowohl in Studentenverbindungen als auch durch Professoren. Der Aufsatz »Unsere Aussichten« (1879) des Berliner Historikers Heinrich von Treitschke markiert diesen Umschlagpunkt von korporativen Vorbehalten und berufsständischer Distanz zu öffentlichen Schmähungen und einem neuen Antisemitismus. Der jüdische Historiker Arthur Rosenberg bezeichnete 1930 diesen neuen Diskurs, mit dem Juden kollektiv angegriffen und pauschalen Verdächtigungen ausgesetzt wurden, als »Universitätsantisemitismus«. Mit seinem Buch »Hitler’s Professors. The Part of Scholarship in Germany’s Crimes against the Jewish People« (1946) zog der Sprachwissenschaftler Max Weinreich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust eine düstere Bilanz dieser deutschen Entwicklung, in der sich Wissenschaftler aller Fachrichtungen und die Institution der Universität selbst in den Dienst der Nazis gestellt hatten.
Das Forschungskolloquium des Dubnow-Instituts geht im Wintersemester in sechs Vorträgen den Diagnosen Rosenbergs und Weinreichs nach und stellt die damit verbundene Frage nach dem Antisemitismus der Gebildeten. Im Zentrum steht dabei weniger die Ideologiegeschichte des Ressentiments; stattdessen werden sozialhistorische und institutionengeschichtliche Fallbeispiele aus Berlin und Prag diskutiert sowie die individuellen und institutionellen Reaktionen jüdischer Zeitgenossen, die die akademische Judenfeindschaft abzuwehren versuchten.

Programm: Angaben zu den Terminen, Themen sowie Referentinnen und Referenten finden Sie Anfang Oktober auf unserer Website.


Literatur: Matthias Berek, Der Kampf mit dem Antisemitismus, in: ders., Moritz Lazarus. Deutsch-jüdischer Idealismus im 19. Jahrhundert, Göttingen 2020, 389–488; Sol Goldberg/Scott Ury/Kalman Weiser, Key Concepts in the Study of Antisemitism, Cham 2021; Michael Grüttner, Talar und Hakenkreuz. Die Universitäten im Dritten Reich, München 2024; Monika Schwarz-Friesel (Hg.), Gebildeter Antisemitismus. Eine Herausforderung für Politik und Zivilgesellschaft, Baden-Baden 2015; Shulamit Volkov, Interpreting Antisemitism. Studies and Essays on the German Case, Berlin 2023; der publizistische Angriff Treitschkes und die Reaktion jüdischer Gelehrter darauf ist dokumentiert in: Der Berliner Antisemitismusstreit. Eine Textsammlung von Walter Boehlich, neu hrsg. von Nicolas Berg, Berlin 2023.

Für Seniorenstudium geöffnet: nein
Maximale Teilnehmeranzahl: 20 Personen
Einschreibung: siehe zentraler Termin des Historischen Seminars
Prüfungsleistungen: Hausarbeit