Seminar

Sommersemester 2020

Restitution und jüdisches Selbstverständnis

Debatten um Rückerstattung nach 1945 und 1989

Dozent: Dr. Philipp Graf

Zeit: Mo., 11:15–12:45 Uhr (2 SWS)

Start: 6. April 2020

Ort: Dubnow-Institut, Goldschmidtstr. 28

Seminarsprache: Deutsch

Beschreibung: Seit geraumer Zeit bringt die Geschichtswissenschaft jüdischen Initiativen im Bereich der rechtlichen Aufarbeitung der NS-Diktatur, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit angestoßen wurden, verstärktes Interesse entgegen. Ein wesentlicher Teil dieser Initiativen galt der Rückgabe oder Entschädigung des von den Nazis geraubten jüdischen Eigentums, dessen geforderte Rückerstattung zwei Eigenarten aufwies: Nach der Vernichtung der europäischen Juden stellte sich zunächst die juristische Frage, wie und an wen Rückerstattungen überhaupt erfolgen konnten, da entsprechende Güter und Vermögen häufig erbenlos geworden waren. Um dem Problem zu begegnen, musste deshalb die rechtliche Anerkennung einer Vertretung erfolgen, die Forderungen im Namen aller Jüdinnen und Juden stellen könnte; damit freilich verbanden sich Diskussionen um die Entstehung eines neuen kollektiven jüdischen Selbstverständnisses nach der Katastrophe. Vom Kalten Krieg lange überlagert, trat die Frage von Restitution nach dem Epochenbruch von 1989/1991 noch einmal neu und insbesondere mit Blick auf die bis dato nicht erfolgte Rückerstattung in Mittel- und Osteuropa wieder an die Oberfläche; zudem löste die Rekonstruktion vormaliger Eigentumsverhältnisse einen Gedächtnisschub aus, der prägenden Einfluss auf die öffentliche Erinnerungskultur wie die wissenschaftliche Erforschung des Holocaust nahm. Beide Hochzeiten der Restitutionsdebatte – die unmittelbare Nachkriegszeit sowie die Zeit nach 1989 – sollen im Seminar verglichen und zusammen diskutiert werden. Zugleich soll über den deutschen Kontext hinaus ein Blick auf die osteuropäische Dimension in dieser Frage geworfen werden.

 

Literatur: Dan Diner, Art. »Restitution«, in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, Bd. 5, Stuttgart/Weimar 2014, 202–209; Dan Diner/Gotthart Wunberg (Hg.), Restitution and Memory. Material Restoration in Europe, New York u. a. 2007; Constantin Goschler, Schuld und Schulden. Die Politik der Wiedergutmachung für NS-Verfolgte seit 1945, Göttingen 2005; Jan Surmann, Shoah-Erinnerung und Restitution. Die U.S.-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2012; Elisabeth Gallas u. a. (Hg.), Contested Heritage. Jewish Cultural Property after 1945, Göttingen 2020.

 

Geöffnet für Seniorenstudium: nein

Begrenzung der Teilnehmerzahl: 20