Workshop

Schulen, Gruppen, Stile. Denken, kollektiv betrachtet

Workshop am ZfL Berlin

Program

Admission is free of charge, there is no need to register in Advance.

»Genau in der Mitte« zwischen den Ideen und Theorien der Menschen und ihren gesellschaftlichen Erfahrungen situiere sich die Wissenssoziologie, so der heute kaum noch bekannte Soziologe und Simmel-Übersetzer Kurt H. Wolff. Wie vor ihm sein Lehrer Karl Mannheim und vor allem Ludwik Fleck (der den Begriff »Denkstil« von Karl Mannheim aufnahm und weiterentwickelte) war es auch Wolff um jenen Erkenntnisbereich zu tun, in dem das Singuläre jeder menschlichen Erfahrung sich mit den kollektiven Formen des Denkens und der Gestalt des Ausdrucks berührt. Der Gedanke des Kollektiven im Bereich der Erkenntnis hat dabei nicht nur wissenschaftshistorische Relevanz, sondern stellt immer auch eine intellektuelle Zumutung dar, über die zu reflektieren ist. Denn das Spektakuläre etwa an Flecks Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache (1935) ist ja nicht die intuitiv einleuchtende Feststellung, dass die Ergebnisse von Wissenschaft und Kunst auf kollektiven Entwicklungsprozessen basieren, sondern die theoretische Überzeugung des Autors, dass Denken selbst und Erkenntnis an sich »die am stärksten sozialbedingte Tätigkeit des Menschen« darstellen.

 

Diese scheinbar paradoxe These hat gleich zu einer Vielzahl von »Renaissancen« (Sylwia Werner und Claus Zittel) von Flecks Buch geführt (Die erste erfolgte durch das sprichwörtlich gewordene Buch von Thomas S. Kuhn Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (1967; engl. 1962).). Allerdings hat dieses Interesse noch zu selten dazu geführt, Ansätze, die über Gruppen, Schulen und Stile in der Wissenschafts-, Wissens- und Ideengeschichte reflektieren, auch in empirische Fragestellungen der Kultur-, Literatur- und Geschichtswissenschaften aufzunehmen. So produziert der Zusammenklang aus dem soziologischen Interesse an kollektiven Denkprozessen und dem ästhetischen Reiz an formalen Analogien in Ausdruck, Stil und Sprache zwar eine zyklische Wiederkehr der Schriften von Georg Simmel, Siegfried Kracauer, Karl Mannheim und Ludwik Fleck im wissenschaftlichen Diskurs. Doch Anwendungen ihrer Thesen bleiben selten oder sind nur lose mit diesen theoriegeschichtlichen Grundschriften verbunden.

Der vierte Workshop der Reihe Jüdische Geschichte und Literaturforschung, die das Dubnow-Institut zusammen mit dem ZfL durchführt, will deshalb ein Forum bieten, nicht nur methodologisch und theoretisch über diese Texte und ihre Autoren nachzudenken, sondern auch Anwendungsmöglichkeiten der von ihnen ins Gespräch gebrachten Denkfiguren zu diskutieren.

mit Nicolas Berg (DI), Daniel Weidner (ZfL/HU Berlin), Magnus Klaue (DI), Philip Emanuel Bockelmann (DI)

14th February 2020
Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL), Berlin

Design: Nicolas Berg (DI), Daniel Weidner

Workshop of the Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) in collaboration with the Leibniz Institute for Jewish History and Culture - Simon Dubnow