Sommersemester 2016
Jüdische Studien heute. Aktuelle Forschungsthemen und methodische Herausforderungen
Dozenten: Prof. Dr. Raphael Gross/Dr. Nicolas Berg
Forschungskolloquium
Zeit: Mittwoch, 17–19 Uhr (vierzehntäglich)
Ort: Simon-Dubnow-Institut, Goldschmidtstr. 28
Die Erkenntnis der Orte
Erfahrungskonzepte im Lebenswerk von Simon Dubnow (1860–1941)
Simon Dubnow gehört zu den bedeutenden jüdischen Geschichtsschreibern der neueren Zeit. Er verfasste eine 10-bändige Weltgeschichte des jüdischen Volkes (1925–1929), die die jüdische Diaspora als Lebensform verteidigte; auch legte er grundlegende methodische Reflexionen vor, in denen er deutlich machte, dass die jüdische Geschichte nur als Synthese der verschiedenen Judenheiten angemessen zu verstehen sei. Mit seinen Lebenserinnerungen – Buch des Lebens – hinterließ er eine wichtige persönliche Quelle zum Verständnis der jüdischen Geschichtserfahrung seiner Zeit. Dubnow vertrat mit seinem historiografischen Werk eine universalhistorische Absicht: Durch einen genuin historischen und säkularen Zugang wollte er die Einheit und zugleich Vielheit der jüdischen Geschichte jenseits von politischen, sprachlichen und territorialen Grenzziehungen verständlich machen.
Anlässlich des 75. Todestages von Simon Dubnow im Dezember 2016 ehrt das Simon-Dubnow-Institut im Rahmen seines Forschungskolloquiums den Historiker mit einer Einführung in sein Leben und Werk, und zwar entlang seiner Lebensorte. Diese werden auf sein Werk bezogen, wie umgekehrt die von Dubnow verwendeten theoretischen Begriffe über die Orte, an denen sie entstanden sind, eine neue Deutung erfahren. So ergibt sich auch aus dem Panorama der Städte und Metropolen, in denen Dubnow lebte und wirkte, sein ideelles Vermächtnis: die Verbundenheit von Lebens- und Denkformen in der jüdischen Diaspora. Seine Theorie der »wandernden Zentren« und des »Diasporanationalismus« und sein Autonomiekonzept erscheinen so nicht als geschichtstheoretische Konstrukte allein, sondern als vitaler Teil der kollektiven jüdischen Erfahrung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
Vorträge:
27. April 2016
Nicolas Berg (Leipzig)
Mstislaw – Zweierlei Gelehrsamkeit
25. Mai 2016
Anne-Christin Saß (Berlin)
Berlin – Das Lebenswerk am Vorabend der Katastrophe
8. Juni 2016
Svetlana Natkovich (Leipzig)
Odessa – Between Commercial and Intellectual Avantgardes
22. Juni 2016
Anke Hilbrenner (München)
Sankt Petersburg – Als jüdischer »Externer« in der russländischen Hauptstadt
13. Juli 2016
Cecile E. Kuznitz (Annandale-on-Hudson, N. Y.)
Vilna – History and the Historical Imperative
Montag, 19. September 2016
Dan Diner (Jerusalem)
Zwischen Gesetz und Geschichte – Simon Dubnows ambige Modernität