»Neue Horizonte«
Jüdische Migration vom Nahen Osten über den Indischen Ozean in der Moderne
Die Historiografie der Judenheiten des Nahen Osten ist gewöhnlich geprägt von nur einer Bewegung: der nach Zion. Doch seit dem späten 18. Jahrhundert entschieden sich Tausende von arabischsprachigen Juden dafür, an andere Orte zu migrieren, indem sie den Indischen Ozean überquerten und sich jenseits von ihm niederließen. So bildeten sich bis zum 20. Jahrhundert in Indien, Burma und China ebenso wie in Somalia, Eritrea und Ägypten Einwanderergemeinschaften von Juden aus Aleppo, Bagdad und dem Jemen heraus. Als Pioniere der Migrationsbewegung, die anderen den Weg bereiteten, traten an sämtlichen genannten Orten Händler auf.
Das Dissertationsprojekt führt all diese scheinbar unverbundenen Migrationen von Juden aus dem Nahen Osten zusammen. Anstatt sich jedoch mit verschiedenen lokalen Kontexten, beispielsweise von Sanaa oder Bagdad, aufzuhalten, untersucht es die Möglichkeiten, die sich von dort stammenden Juden auf der anderen Seite des Meeres eröffneten. Es verschiebt den Blick vom Nahen Osten in Richtung des Indischen Ozeans, wo sich in der Blütezeit des sogenannten »Empire of the Raj« für jüdische wie nichtjüdische Kaufleute ein weiter Horizont an Geschäftsgelegenheiten auftat. Wer nach Profit strebte und Anpassungsbereitschaft zeigte, konnte in weit entfernten Ländern neues Terrain erschließen.
Gestützt auf Memoiren, Reiseberichte, Zeitschriften und Material aus britischen und israelischen Archiven zeichnet die Dissertation die Wege ausgewählter Händler von ihren Heimatstädten Bagdad, Basra, Sanaa und Aden über den Indischen Ozean nach und nimmt dabei die Faktoren in den Blick, die ihre Migration ermöglichten, förderten oder behinderten. Diesen Kaufleuten zu folgen erlaubt eine Darstellung der spezifischen Topologie des von Shanghai im Osten bis nach Port Said im Westen reichenden Gebiets. Erst mit dem Niedergang dieses jüdischen Raumes um die Mitte des 20. Jahrhunderts stieg Zion zum neuen, unangefochtenen Zentrum für sämtliche jüdische Migranten auf.
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Shaul Marmari